Doppelte Ungleichbehandlung – Bundesrichter lassen Anleger von Termingeschäften hoffen
Veröffentlichungsdatum:
03.08.2024
Autor:
Martin Schrahe
Erschienen in: Herforder Kreisblatt
Doppelte Ungleichbehandlung – Bundesrichter lassen Anleger von Termingeschäften hoffen
Die Richter des Bundesfinanzhofes (BFH) halten die aktuelle Gesetzeslage für die Besteuerung von Termingeschäften für verfassungswidrig. Zu diesen Termingeschäften zählen unter anderem Optionsgeschäfte, Futures sowie CFDs (Contracts for Difference oder Differenzkontrakte). Anleger spekulieren dabei zum Beispiel auf Preisentwicklungen von Aktien, Indizes oder Rohstoffen – ohne diese selbst zu besitzen.
Der bei diesen bestehende sogenannte Hebeleffekt (auch Leverage-Effekt) führt dazu, dass bereits kleinere Preisänderungen zu großen Wertausschlägen führen können und Anleger so ein Vielfaches ihrer Anlage gewinnen – aber auch verlieren können. Beispielsweise führt bei einem Hebel von 10:1 eine Veränderung des zugrundeliegenden Basiswertes um ein Prozent zu einer Veränderung des Wertes des eigenen Kontraktes von zehn Prozent.
Termingeschäfte sind in vielen Fällen keine hochspekulativen Anlagen, sondern werden regelmäßig als sogenannte Absicherungsgeschäfte zum Schutz vor Verlusten durch Preisänderungen bei Waren-, Devisen- oder Wertpapiergeschäften abgeschlossen.
Seit dem Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2020 im Jahr 2021 dürfen Anleger Verluste aus Termingeschäften grundsätzlich nur noch mit Gewinnen aus solchen Geschäften verrechnen. Zusätzlich wurde die Verlustverrechnungsmöglichkeit auf maximal 20.000 € p. a. begrenzt, mit der Folge, dass es zur Besteuerung von Scheingewinnen kommen kann.
Im Streitfall sollte im Jahr 2021 ein Anleger wegen der begrenzten Berücksichtigung von Verlusten aus Termingeschäften 59.860 € Steuern zahlen, obgleich wirtschaftlich nur ein saldierter Gewinn von 23.342 € erzielt wurde. Er hatte mit Termingeschäften Gewinne in Höhe von 250.631 € und mit ebensolchen Termingeschäften zugleich Verluste in Höhe 227.289 € eingefahren; dafür sollte er Steuern zahlen, die mehr als doppelt so hoch wären, wie der eigentliche Nettogewinn.
In dem Beschluss zur Aussetzung der Vollziehung vom 7. Juni 2024 (VIII B 113/23) befanden die Richter des BFH, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Richter sehen den in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Das geltende Steuerrecht führe zu einer „doppelten Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die Verluste aus Termingeschäften erzielen“, denn je nachdem, ob Verluste aus Termingeschäften oder aus anderen Kapitalanlagen erzielt werden, werden diese ungleich besteuert.
Um der Rechtslage die Krone aufzusetzen, werden auch noch Gewinne und Verluste aus Termingeschäften ungleich behandelt. Wegen der „typisierenden Betrachtung“ der Verluste – Verluste aus Termingeschäften dürfen nur mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden – bestehe für Steuerpflichtige die Gefahr, dass sie ihre Verluste nicht mehr verrechnen können. Die jährliche Betragsgrenze von 20.000 € verschärfe diesen Effekt, meinte der BFH.
Da es sich um eine Entscheidung im vorläufigen Rechtschutz handelt und das Verfahren beim BFH beendet ist, wird die Finanzverwaltung wohl (noch) keinen Vorläufigkeitsvermerk in entsprechenden Fällen in die Steuerbescheide aufnehmen. Das Finanzgericht wird sich aber auf Grundlage der im Beschluss dargelegten Auffassung des BFH im Hauptsacheverfahren zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht veranlasst sehen.
Andere Anleger können nun als „Trittbrettfahrer“ Einspruch einlegen und Ruhen des Verfahrens oder insoweit Aussetzung der Vollziehung unter Hinweis auf diesen Beschluss beantragen, verbunden mit der Hoffnung, dass sich das Bundesverfassungsgericht der Argumentation der Finanzrichter anschließen wird.
Der Gier des Fiskus nach immer mehr Steuern führt immer öfter dazu, dass in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Regelungen in den Steuergesetzen von Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurden. Da die Mühlen der Justiz bekanntlich langsam mahlen, brauchen betroffene Anleger allerdings viel Geduld.
An dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, dass bereits im Jahr 2021 dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt wurde, ob es verfassungskonform sei, dass Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen verrechnet werden dürfen (Az.: 2 BvL 3/21). Eine Entscheidung steht noch aus.
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