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Veröffentlichungen

Wenn die Rückforderung der Umsatzsteuer scheitert

Veröffentlichungsdatum: 01.06.2024
Autor: Martin Schrahe
Erschienen in: Herforder Kreisblatt

Wenn die Rückforderung der Umsatzsteuer scheitert:
Der Direktanspruch gegen das Finanzamt als Hilfe – auch bei Verjährung!

Dem Europäischem Gerichtshof (EuGH) wurde vom Finanzgericht Münster zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob es das Unionsrecht gebietet, dass ein Unternehmer an seine Vorlieferanten zu viel gezahlte Mehrwertsteuer einschließlich Zinsen direkt vom Finanzamt erstattet verlangen kann, wenn die entsprechenden zivilrechtlichen Forderungen verjährt sind. Es ging also um einen Erstattungsanspruch im Zusammenhang mit zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer (MwSt).

Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde: Ein gewerblicher Holzhändler kaufte Holz zum Regelsteuersatz (19 %) ein und veräußerte es zum ermäßigten Steuersatz (7 %) weiter. Der Lieferant führte die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % an das Finanzamt ab. Der für den Einkauf des Holzes zutreffende Steuersatz hätte jedoch ebenfalls 7 % betragen müssen, so dass das Finanzamt dem Holzhändler den Vorsteuerabzug in Höhe der Differenz von 12 % versagte. Der Versuch, bei dem Lieferanten die zu viel gezahlte Umsatzsteuer zurückzubekommen, scheiterte, weil der Lieferant Rechnungskorrektur und Erstattung verweigerte und sich auf die zivilrechtliche Verjährung berief. Daraufhin stellte der Holzhändler bei seinem Finanzamt einen Billigkeitsantrag und wollte den entsprechenden Steuerbetrag als Direktanspruch zuzüglich Zinsen erstattet erhalten.

Der Europäische Gerichtshof (Az. C-453/22, Urteil vom 07.09.2023) hat entschieden, dass der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer und der Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen sind, dass es sich beim Anspruch auf Erstattung unionsrechtswidrig erhobener Steuern um einen unionsrechtlich garantierten Anspruch handelt, wobei die Berichtigung „in der Lieferkette“ den Regelfall darstellt.

Wenn aber die Erstattung der MwSt unmöglich oder übermäßig schwierig wird, kann sich aus den unionrechtlichen Grundsätzen ergeben, dass dem Leistungsempfänger die Möglichkeit eingeräumt werden muss, einen Antrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörden zu richten (sogenannter Direktanspruch, auch „Reemtsma-Rechtsprechung“ genannt). Dieser Direktanspruch besteht nach dem EuGH auch oder insbesondere dann, wenn der zivilrechtliche Regressanspruch verjährt ist.

Im Fall der zivilrechtlichen Verjährung ist die Durchsetzung des Anspruchs übermäßig erschwert, so der EuGH. Den Direktanspruch kann der Leistungsempfänger auch dann geltend machen, wenn der Leistende theoretisch noch eine Korrektur des unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Umsatzsteuergesetz vornehmen könnte. Der leistende Unternehmer kann die Rechnung zeitlich unbegrenzt korrigieren. Aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer für Unternehmer ergibt sich ferner, dass der Direktanspruch zu verzinsen ist, weil dem Steuerpflichtigen nicht nur die zu Unrecht erhobene Steuer zu erstatten, sondern auch ein entstandener Liquiditätsnachteil auszugleichen ist.

Erstattet das Finanzamt die von der Steuerbehörde zu Unrecht kassierte MwSt nicht innerhalb einer angemessenen Frist, ist der Schaden, der dadurch entstanden ist, durch die Zahlung von Verzugszinsen auszugleichen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Empfänger von Lieferungen, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer an seinen Lieferanten gezahlt und dieser auch die Steuer an die Staatskasse abgeführt hat. Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Zinsen unmittelbar gegen die Steuerbehörde, wenn er, ohne dass ihm Betrug, Missbrauch oder Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, diese Erstattung aufgrund der im nationalen Recht vorgesehenen Verjährung nicht mehr von diesen Lieferern fordern kann.

Dies gilt selbst dann, wenn formal die Möglichkeit besteht, dass der Lieferant, die ursprünglich an den Empfänger dieser Lieferungen gerichteten Rechnungen berichtigten könnte und im Nachhinein vom Finanzamt die Erstattung der zu viel gezahlten Steuer verlangen könnte. Der EuGH widerspricht der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, die bisher einen Direktanspruch bei zivilrechtlicher Verjährung verneint. Betroffene Unternehmer sollten in jedem Fall bei ihrem zuständigen Finanzamt Billigkeitsanträge stellen und etwaige Antragsablehnungen mit dem Einspruch anfechten.

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