Sind Abfindungen ermäßigt zu besteuern?
Veröffentlichungsdatum:
07.08.2021
Autor:
Martin Schrahe
Erschienen in: Westfalenblatt / Herforder-Kreisblatt
Sind Abfindungen ermäßigt zu besteuern?
Trennen sich die Wege von Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird das Arbeitsverhältnis nicht selten einvernehmlich durch einen Aufhebungsvertrag beendet. Der Arbeitgeber kann so weitgehend risikofrei Kündigungsschutzklagen vermeiden. Regelmäßig wird in diesen Fällen dem Arbeitnehmer eine Abfindung als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt. Insbesondere bei Aufhebungsverträgen mit qualifizierten Fachkräften, die gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, wird häufig eine sogenannte Sprinterklausel vereinbart.
Die Sprinterklausel, die auch Turboklausel genannt wird, ermöglicht dem Arbeitnehmer eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im Aufhebungsvertrag wird zunächst festgelegt zu welchem Zeitpunkt das Beschäftigungsverhältnis beendet wird. Dies ist im Regelfall das Ende der Kündigungsfrist. Zusätzlich wird mit der Sprinterklausel vereinbart, dass schon vor dem vereinbarten Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer beendet werden kann. Für diesen Fall wird dann üblicherweise eine erhöhte Abfindung vereinbart, die sich an den durch den Arbeitgeber eingesparten Gehältern orientiert.
Findet der Arbeitnehmer noch vor Ende des Arbeitsverhältnisses einen neuen Arbeitgeber, vermeidet er Einnahmeausfälle und erhält gleichzeitig eine höhere Abfindung. Die Abfindungszahlungen sind sozialversicherungsfrei. Der Arbeitgeber spart durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Abfindungen, die als Entschädigungen für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gezahlt werden, sind nach der günstigeren Fünftelregel ermäßigt zu besteuern. Einmalige, außerordentliche Einkünfte, werden steuerlich so behandelt, als erhielte der Empfänger diese gleichmäßig auf die nächsten fünf Jahre verteilt. Damit wird eine einmalige hohe Steuerbelastung vermieden, die aufgrund der Steuerprogression deutlich höher, als bei Verteilung auf fünf Jahre wäre.
Ob dies auch für die zusätzliche Abfindung, die aufgrund der Sprinterklausel gezahlt wird, gilt, haben die Finanzgerichte unterschiedlich beurteilt. Das Niedersächsische Finanzgericht hat im Jahr 2018 diesen Teil der Abfindung als neues, durch die Ausübung der Sprinterklausel ausgelöstes Ereignis gewertet und insoweit die ermäßigte Besteuerung versagt.
Das Hessische Finanzgericht hat am 31.05.2021 anders entschieden. Der Abfindungsbetrag sei ermäßigt zu besteuern. Dies gelte grundsätzlich auch für den Teil der Abfindung, der für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Wahrnehmung der Sprinterklausel gezahlt wird. Denn auch diese Abfindung finde ihren Rechtsgrund in der Aufhebungsvereinbarung und sei nicht getrennt davon zu betrachten. Ebenso hatte bereits das Finanzgericht Rheinland-Pfalz im Jahr 2003 entscheiden: „die Sprinterklausel sei Teil des Gesamtpakts“. Beide Abfindungen sind einheitlich zu behandeln und ermäßigt zu besteuern, weil sie als Ersatz für entgangene bzw. entgehende Einnahmen gezahlt wurden.
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